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Heimatmuseum Bad König: Exponat „Rosshaar-Kämmmaschine“ (Karl Lang)

(Fotorechte: Reinhold Veit/HGV Bad König e.V.)

 

Die im Heimatmuseum Bad König (Expositions-Saal II) zu besichtigende Rosshaar-Kämmmaschine ist ein Geschenk von Karl Lang (Michelstadt- Stadtteil Weiten-Gesäß). Karl Lang ist ein Cousin des rührigen HGV-Mitgliedes Klaus März.

 

 

 

Unser HGV Bad König e.V.-Mitglied Walter Hoffmann übermittelt(e) den folgenden Text:

ICONIST VERGESSENES HANDWERK
Rosshaarmatratzen halten ein Leben lang und länger

Von Mira Wiesinger | Veröffentlicht am 25.04.2015
Sie sind selbstreinigend, werden nie muffig und halten mehrere Jahrzehnte: Rosshaarmatratzen sind eine Investition fürs Leben. In Berlin fertigt Daniel Heer sie von Hand – wie schon sein Urgroßvater.
Es ist Inbegriff seines gesamten Tuns – das Porträt des Urgroßvaters Benedikt. Man möchte meinen, leicht ironisch und doch wohlwollend blickt er auf das Schaffen seines Urenkels von der Wand. Über den alten Werkzeugkisten seiner Ahnen hat Daniel Heer das Gemälde aufgehängt, welches er für diesen Zweck von einem Berliner Maler hat anfertigen lassen. „Es verbindet die Gegenwart mit der Vergangenheit“, erklärt der 37-Jährige, der besonderen Wert darauf legt, dass seine traditionelle Arbeit in einem modernen Kontext erscheint.Und deshalb darf man ihm auch dabei zuschauen, wie er krauses Rosshaar Schicht um Schicht zwischen jeweils einer Lage Schurwolle und einer Lage Stoff stapelt. Wie er das ganze von rund 50 auf 15 Zentimeter zusammenschnürt, wie er mit den Händen die runden Kanten der Matratze modelliert und mit dem Sattlerstich vernäht, wie er mit so genannten Abheften aus dem selben Garn des Bezugsstoffs das Rosshaar fixiert. Nur eine bodentiefe Fensterscheibe trennt ihn dabei von den Passanten auf der Straße vor seinem Studio in Berlin Mitte. Von hier aus kann man auch die fertigen Matratzen bewundern: klassische mit sanften Pastellstreifen oder modern interpretierte in bunten Anzug-Wollstoffen, blauem Denim oder sogar mit weichem Hirschleder bezogen. Nichts wirkt hier nostalgisch oder antiquiert. Im Gegenteil: Der helle Raum ist aufgeräumt und klar strukturiert.
Schon als Kind spielte Daniel Heer in der Werkstatt
Das Rosshaar, sortiert nach den Farben Naturblond (etwas weicher) und Schwarz (etwas elastischer), befindet sich zu Zöpfen verdreht in Holzkisten auf einem Regal. Darüber aufgereiht stehen Garnrollen in vielen Farben. „Es geht mir darum das Material, das Produkt und den Handwerker zu zeigen. Alles was Sie sehen, wird auch verwendet. Die alten Werkzeuge sind keine Dekoration“, so Heer, der sich 2012 nach einer Station in Berlin Kreuzberg hier niederließ. Doch wieso fertigt ein junger Mann in Zeiten von Latex-, Kaltschaum- und hoch technologisierten Vielzonen-Matratzen noch eine aus Rosshaar? „Alles wird schneller und man erfindet immer mehr Dinge, um Zeit zu sparen. Ich mache genau das Entgegengesetzte: Ich investiere in Zeit“, erklärt der Schweizer, der ebenfalls einige Jahre brauchte, bis er den Wert des Familienhandwerks schätzen lernte.
Schon als Kind hatte er in der Werkstatt gespielt, mit 16 Jahren begann seine Lehre im elterlichen Betrieb in der Nähe von Luzern. Doch er musste erst etwas Distanz gewinnen, bis er sich 2007, zum 100 jährigen Jubiläum der Familientradition, dazu entschloss, das Erbe in Berlin fortzuführen. Diese Zeit der, sagen wir mal: Besinnung, die er in Prag, Warschau, Wien und Berlin verbrachte, nennt er seine Lehr- und Wanderjahre, neun an der Zahl, von denen er bis heute zehre.
Eine Rosshaarmatratze hält ein Leben lang
Vergleichsweise lang dauert es auch, bis eine Rosshaarmatratze fertig ist. Fast vier Tage braucht er für ein Standardmaß von ein mal zwei Metern. Rund 2000 Euro kostet das gute Stück, das dann aber ein ganzes Leben halten soll. Daniel Heer selbst schlafe noch immer auf einer gestreiften Matratze, die sein Großvater einst für ihn gefertigt und sein Vater noch mal aufgearbeitet hat. Dies sei alle 25 Jahre nötig.
Dann wird die Matratze geöffnet, das Rosshaar von 43 Pferden, das sind etwa 50 Kilo, entnommen, aufgelockert, an die Luft gelegt und am Abend wieder in die Matratze gefüllt, die meist noch einen neuen Bezug erhält. „Die Matratze ist dann wieder wie neu, das Haar behält seine Elastizität und Sprungkraft. Das ist die Investition“, erklärt Heer. Einmal im Jahr sollte man die Matratze zudem in die Sonne stellen, sie regelmäßig wenden und sie nicht klopfen, sondern bürsten. Belohnt werde man dafür mit einem besonders gesunden Schlafklima, denn Rosshaar sei atmungsaktiv, verfüge über eine hohe Feuchtigkeitsaufnahme und Luftzirkulation. Außerdem sei das Naturmaterial antiseptisch und selbstreinigend, weshalb eine Rosshaarmatratze niemals muffig werde.
Unter Heers Kunden sind bekannte Persönlichkeiten
Vor allem aber sind Daniel Heers Matratzen schön anzusehen. Längst sind Architekten, Hotels und Conceptstores auf seine Produkte aufmerksam geworden, die er bis nach New York und Sydney verschickt. Illuster sei auch sein Kundenstamm, bekannte Persönlichkeiten schliefen gar auf seinen Matratzen.
Wer genau, das möchte der diskrete Handwerker dann aber doch nicht preisgeben. Das Bett sei nun mal das privateste aller Möbelstücke. Und doch läge ihm viel daran, die Matratze aus dem Dunklen ans Licht zu holen. Sie nicht länger unter Leintüchern zu verstecken. Das Potenzial dafür haben seine Modelle allemal – Urgroßvater Benedikts Blick scheint das ebenso zu sehen.