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Bad König-Historie: Erste italienische Eisdiele in den 1960ern- auch Migrationsgeschichte

Bad Königs erste italienische Eisdiele am Schlossplatz

Bad König im Odenwald – der Schlossplatz in den anfänglichen 1960er Jahren. In nordöstlicher Richtung unterhalb der historischen Rentmeisterei (ganz links) befand sich schon damals die anfängliche italienische Eisdiele des Ehepaares de Zordo– was im Laufe der Jahrzehnte im historischen Zentrum eine Instanz wurde. Der Verkaufsschlager neben den schon vielfältigen Eissorten war das „Zitronen-Wasser“ (Glas Mineralwasser mit Original-Tütchen Zitronen-Extrakt aus Italien). Natürlich gab es dann später ab dem Jahre 1969 auch das von Dario Fontanella in Mannheim erfundene Spaghetti-Eis- siehe Literaturhinweis auf dieser Seite. (Bilder: HGV Bad König e.V.-Bilddatenbank)

 

Erste italienische Eisdiele in Bad König im Odenwald

Bad König. Es waren die anfänglichen 1960er Jahre, als an dem Scheitelpunkt zwischen der Elisabethenstraße und der Alexanderstraße am historischen Schlossplatz Lucia und Raphaele de Zordo ein schnuckeliges Flachgebäude mit einem kleinen Vorplatz anmieteten und dort eines der ersten Eiscafés dieser Odenwaldregion (früherer Landkreis Erbach/Odenwald/heute Odenwaldkreis) eröffneten.

 

So ungefähr muss das Schlösser-Ensemble im Bad König der 1960-er Jahre ausgesehen haben, als die erste italienische  Eisdiele in der boomenden Kurgemeinde des Odenwaldes ihre Pforten (unterhalb der Rentmeisterei/ links im Hintergrund des historischen Fotos von 1956, HGV-Bilddatenbank) öffnete. In der Rentmeisterei selbst war zu jener Zeit die Gemeindeverwaltung untergebracht.

 

Der Schlossplatz selbst wurde immer wieder allein im Verlauf der letzten 100 Jahre umgestaltet, was verschiedene Aufnahmen verschiedener Zeiten beweisen.

 

Folgende Literatur vermittelt uns als „Feeling“ der damaligen Zeit (1950er/1960er Jahre) in etwa die Atmosphäre aus dem Blickwinkel der nahe des Bad Königer Schlossplatzes gelegenen Bachgasse unter maßgeblicher Entwicklung von Traudel Urich  geb. Klinger:

 

Heimat- und Geschichtsverein Bad König e.V. (Hg.): Die Schwalbenstraße- Gässjes-Geschichten, M&K Satz-, Druck- und Verlags-GmbH, Michelstadt 1993 -1.Auflage

Zusammenstellung: Traudel Urich, Heide Hix, Renate März, Edith Meckbach, Otto Pichl, Karl Ludwig Kraft, Reinhold Nisch, Solvei Prinzessin zu Erbach-Schönberg

Zeichnungen: H.-P. Knapp, Urberach; Horst Wassum

Straßenplan: Peter Beckenhaub

Satz und Gestaltung: Kohlberg-‚Werbung, Brensbach

 

 

Weiterhin die kleine Bad König- Erzählung zum 1200 Jahre-Jubiläum der Stadt anno 2017 :

Reinhold Nisch: Der Odenwald in den frühen 1960ern- Eiskauf bei Lilo, in: Johann-Friedrich Huffmann (Hrsg.): DAMALS WAR`S – Zeitzeugen erzählen aus ihrem Leben, Band 19, Frieling- Verlag (ISBN 978-3-8280-3371-9) Berlin 2017- 1. Auflage

 

 

Zur historischen Migration italienischer Bürgerinnen und Bürger allgemein der akademisch gehaltene Literaturhinweis:

Claudia Martini, Italienische Migranten in Deutschland-Transnationale Diskurse, Dietrich Reimer Verlag Berlin o.J.

 

Weiterhin:

-Yvonne Rieker, „Ein Stück Heimat findet man ja immer“: Die italienische Einwanderung in die Bundesrepublik, Verlag Klartext, 2003

Zum Inhalt:

„Von den 6,5 Millionen Ausländern, die Ende 1992 im westlichen Teil Deutschlands lebten, besaßen 62 Prozent die Staatsbürgerschaft der Länder, mit denen die Bundesregierung seit 1955 Anwerbeverträge abgeschlossen hat. Schon diese Zahlen zeigen, dass die Historie der Arbeitsmigration als integraler Teil der Geschichte der Bundesrepublik anzusehen und die Arbeitsmigration selbst zur Einwanderung geworden ist. Der 1955 unterzeichnete deutsch-italienische Anwerbevertrag war dabei der früheste seiner Art. Ihm kam deshalb für die weitere Anwerbepolitik eine Schlüsselrolle zu. Die Italiener waren außerdem nicht nur die erste, sondern bis 1970 auch die größte Migrantengruppe in Deutschland. Sie prägten das anfängliche Bild vom „Gastarbeiter“. Deshalb bietet sich die Migration aus Italien für eine Fallstudie zur deutschen „Gastarbeiter“-Politik besonders an. Die italienischen Migranten waren aber nicht nur Objekte von Politik, Wirtschaft und Betreuungsorganisationen, sondern auch handelnde Subjekte. Deshalb wertet die Autorin neben umfangreichem Archivmaterial 30 lebensgeschichtliche Interviews mit Italienern und Italienerinnen aus, die heute in der Bundesrepublik leben.

 

Direkt zu den italienischen Eisdielen liegt eine Studie aus dem Ruhrgebiet vor:

Dietmar Osses/Anne Overbeck, Eiskalte Leidenschaft. Italiens Eismacher im Ruhrgebiet, LWL Verlag, 2009

 

Zur Migration allgemein:

Massimo Livi Bacci: Kurze Geschichte der Migration (Aus dem Italienischen von Marianne Schneider), Berlin (Verlag Klaus Wagenbach   2015 (2. Auflage)

“ Den Ort zu wechseln, anderswo zu leben, in einer anderen Gegend als der angestammten heimisch zu werden, sichert dem Menschen seit seinen frühesten Entwicklungsstufen das Überleben. Massimo Livi Bacci beginnt seine Geschichte der Migration in der Ur- und Frühzeit, beschreibt die Besiedlungsgeschichte des Mittelalters ebenso wie die großen transozeanischen Migrationsströme der Neuzeit und analysiert die Gegenwart mit einer Fülle aktueller Zahlen und Fakten. Aber der Autor denkt noch weiter und wagt einen Ausblick ins Jahr 2050: Wenn wir das hohe Lebensniveau in Europa halten wollen, müssen wir Einwanderung erleichtern und befördern.“ (Klappentext zum Buch)

 

Marcello Anselmo: Die hohe Kunst des Betrugs- In der Nachkriegszeit freuten sich die konsumhungrigen Deutschennoch über Migranten– selbst wenn sie ihnen, wie die meist aus Neapel stammenden „Magliari“, scheinbare Schnäppchen andrehten.* Ein italienischer Soziologe hat sich auf die Spurensuche begeben (Quelle: taz zwei vom 16. Juli 2018, Seite 11); dazu das Buch von Marcelo Anselmo/Pietro Marcello: „Storie di magliari, Mestieranti napoletani sulle strade d`Europe. L`arte del commercio e il genio dell`imbroglio. Donzelli, Rom 2018.

Den Film „I Magliari“ (aus dem Jahre 1959) des in Neapel geborenen Regisseurs Francesco Rosi findet man mit englischen Untertiteln zum Beispiel bei YouTube. (Quelle: taz dito,  siehe oben)

 

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So wird aus dem Bad König der 1950er/frühen 1960er Jahre Folgendes berichtet: „Auf einmal klingelte es unten an der/den Haustür(en) im Straßenkernbereich- so zum Beispiel in der Bahnhofstraße des noch jungen Bad Königs der Nachkriegszeit („Adenauer-Ära“):  Ein Italiener mittleren Alters trat herein , der in doch gebrochenem, aber dennoch verständlichem Deutsch andeutete, dass er Lederjacken (sogar aus Wildleder) anzubieten habe- dies zu einem günstigen Preis. Viele freuten sich darüber ob des „Schnäppchens“.  Es wurde berichtet, dass mancher- in der Zeit des beginnenden „Wirtschaftswunders“ so doch kaufte und zufrieden damit war“.

Weiteres Erlebnis:“ In den frühen 1960er Jahren kamen auch die ersten „Haustürklingler“ persischer Provinienz in den Odenwald, auch nach Bad König: Sie boten Teppiche („Perserteppiche“) jeglicher überschaubarer Wohnflächendimension an- entsprechend den damaligen Größenverhältnissen der „Wohnstuben“, zündeten kurz mit dem Streichholz oder dem Feuerzeug einen Webfaden an, um die „Woll- oder Baumwollechtheit“ zu beweisen, aufkommende erste Synthetik auszuschließen: Warenverkäufe in Wohnungen oder Häusern  direkt vor Ort“ eben.  (Nach den Aufzeichnungen von Reinhold Nisch, Bad König)

 

www.virtuelles-migrationsmuseum.org

Das Virtuelle Migrationsmuseum zur Geschichte der Einwanderung in Deutschland nach 1945

Canset Icpinar: „Fabrik, Amt, Deutschland -Im Virtuellen Migrationsmuseum wird die Geschichte von Einwanderung in Deutschland nach 1945 dokumentiert. Die Macherinnen bemühen sich seit vielen Jahren um die Eröffnung eines physischen Museums in Köln“ (Quelle: „taz zwei“ vom 11.Juli 1918, S.11)

 

Umgekehrt war auch schon in der Nachkriegszeit der späten 1950er und 1960er Jahre der Drang der (West-) Deutschen sehr groß, das Land ,“wo die Zitronen blühen“ (Italien) blühen, vorwiegend im Sommer einmal besuchen zu können.

Literaturhinweis: „Adria ti amo! -Die Deutschen und ihre Sommer in Italien- das ist eine Liebesbeziehung. Für die meisten begann sie schon sehr früh.“ (Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr. 170, Donnerstag, 26. Juli 2018 (Rubrik „Reise“).

 

Weitere Literatur:

„Eis aus der Spätzlepresse- In Italien weitgehend unbekannt, in Deutschland ein Klassiker: Vor 50 Jahren erfindet der 17-jährige Dario Fontanella in Mannheim das Spaghetti-Eis. Er könnte heute Millionär sein- hätte er damals nicht auf seinen Vater gehört.“ (Von Florian Gann), Quelle: Odenwälder Echo (Am Wochenende) vom Samstag, 22. Juni 2019 (Rubrik Leben), S. 2

„Pasta lieben, Pasta leben- Die Beziehung von Italienern zu ihrem Essen ist legendär. Dabei geht es nie um bloße Nahrungsaufnahme, sondern immer um eine Lebenseinstellung“ Von Laura Ebert (Quelle: taz/taz am wochenende vom sonnabend/sonntag 23./24.November 2019 (Rubrik „genuss“ 27)

 

 

 

„Zu Gast, zu Hause?- Vor 60 Jahren kamen die ersten Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland. Kinder von Zugewanderten erzählen, ob sie hier eine Heimat fanden“ (Titelseite)- „Lern du erschdamol richtig Deutsch“- 60 Jahre Anwerbeabkommen mit der Türkei: Dilek Güngor erzählt, wie es ist, ein Kind von `Gastarbeitern` zu sein“ (Quelle: Frankfurter Rundschau vom Samstag/Sonntag, 30./31. Oktober 2021-Magazin S. 23-25)

Buchempfehlungen:

Dilek Güngör: „Vater und ich“ -Homepage: www.dilek-guengoer.de

Ida Todiscos: „Offenbach. Liebe auf den zweiten Blick“. -Homepage: www.ida-todisco.de

Jagoda Marinic: „Restaurant Dalamtia“ (Hoffmann & Campe) – Podcast: „Freiheit Deluxe“ des Hessischen Rundfunks