Auch ein Teil der Kurhistorie Bad Königs – eine kleine Geschichte der Kondomautomaten in der Odenwälder Kurmetropole
Alle Bilder: R. Veit
Vom beginnenden Wirtschaftswunder – also ab dem Jahre 1953 – besaß Herr Philipp Koch
ein Frisörgeschäft mit Parfümerei inklusive in der Bahnhofstraße, wo temporär bis zu 11 Angestellte
beschäftigt waren. Das Frisörhandwerk endete im Jahre 1991. (1)
Als zusätzliche Erwerbsquelle wurde ein Kondomgeschäft mit jeweils zeitaktuellen Automaten von
1956 bis 1990 betrieben. Namhafte Hersteller dieser „Pariser Automaten“ (wie der Volksmund sie
titulierte) waren – wer hätte das heutzutage gedacht- die Weltfirmen Siemens und Klöckner. Käuflich
bezogen wurden diese Automaten über die Firma Rimbacher Gummiwarenfabrik (R3) aus dem
vorderen Odenwald. Zuerst wiesen diese Automaten einen Schacht, in späteren Jahren dann zwei,
drei ,gar fünf Schächte auf, wobei man in den einschächtigen Automaten vierzig Kondompäckchen
( je drei Stück) einfüllen konnte. Der Preis pro Päckchen betrug 1 DM, wobei der höchste Preis für
ein Päckchen mit dem Inhalt von fünf Kondomen Ende der 1980-er Jahre sich auf 5 DM belief.
Zuletzt hatte Philipp Koch ein gutes Vertriebsnetz von 73 Kondomautomaten in Gastwirtschaften und
Tanzlokalen der großflächigen Region hängen, und zwar im nördlichen Mümlingtal von Bad König bis
Hainstadt, im Altkreis Dieburg und im Aschaffenburger Raum. Es versteht sich von selbst, dass an
guten Standorten- wie in den Tanzlokalen und Gaststätten beispielweise Bad Königs- die Automaten
alle zwei bis drei Wochen nachgefüllt werden mussten, wie ein damals zum Auffüllen der Automaten
in den Ferien mithelfender Ex-Pennäler dieser Tage glaubhaft versicherte.
Die Marken der Kondome waren die damaligen Marktführer (zumindest in der alten Bundesrepublik
Deutschland): R 3, London, Fromms, Rittex und nicht zuletzt Blausiegel.
Aber auch bei den Verhütungsmitteln begannen allmählich einsetzende Innovationen der Hersteller
in den 1980-er Jahren: Kondome in farbiger Form- zudem mit diversen Geschmacksrichtungen.
Dazu muss man die Feststellung treffen, dass mit Erfindung der Antibabypille (Ende der 1960-er
Jahre) der Kondomabsatz sich reduzierte, oft sogar dramatisch.
Die Rimbacher Gummiwarenfabrik wurde auch am Ende der 1980-er Jahre an ein Unternehmen
in Japan verkauft, wobei zehn Jahre später Philipp Koch im Jahr der Wiedervereinigung (1990)
sein regionales Handelsnetz (Kondomautomatenaufstellung und Automatenbetreuung) an ein
größeres Unternehmen im Raum Walldürn veräußerte.
Wie gesagt: Das Gros der Kondomautomaten hing in Bad König in Tanzlokalen oder in den
Gaststätten auf den Herrentoiletten. Nur ein einziger Automat – so Karl Ludwig Kraft- hing in
Bad König „allerdings draußen, am (seit drei Jahren nicht mehr existierenden) Frisörgeschäft in der –
Jahnstraße – ohne Geschäftsschluss 24 Stunden am Tag zugänglich. Kraft kam gerade noch recht-
zeitig hinzu, als der(mittlerweile verstorbene) Frisör das schließlich unrentable Ding kurz und klein
machen und in die Mülltonne werfen wollte.“ (2)
Ein kleines Bonmot am Rande: Was sagte man damaligen Kindern oder Ahnungslosen, was denn da
in den Automatenpäckchen sei? Antworten: Da seien Strümpfe, Erfrischungstücher und Mausefell-
chen drin!
Eine kleine Auswahl dieser nunmehr historischen Kondomautomaten können Sie im Heimatmuseum
Bad König zu den bekannten Öffnungszeiten besichtigen.
(1)Für diesen kurzen Aufsatz zur Bad Königer und Odenwälder Kondomautomaten-Geschichte dienten auch die Notizen
von Karl Ludwig Kraft, dem langjährigen und unvergessenen Vorsitzendenden des Heimat- und Geschichtsvereins
Bad König e.V. (Anmerkung: Reinhold Nisch)
(2) Odenwälder Echo vom 6.Januar 2011: “Wo Kurschatten ihre `Strümpfe` bezogen“-
Heimatmuseum zeigt Auswahl von Kondomautomaten, an denen früher niemand gesehen werden wollte.
Weitere vertiefende Literatur zum Thema:
Wolfgang König, Das Kondom: Zur Geschichte der Sexualität vom Kaiserreich bis in die Gegenwart (VSWG Bd. 237)
Franz Steiner Verlag/Wiesbaden 2016
Götz Aly/Michael Sontheimer, Fromms: Wie der jüdische Kondomfabrikant Julius Fromm unter die Räuber
fiel, S. Fischer Verlag Frankfurt/Main 2009
Undine Materni/Jürgen Czytrich: Herr Kästner, was kosten die Kondome? Der direkte Versand des Dresdener
Fabrikanten Kästner in der DDR, Saxophon Verlag Dresden 2017
Christina Sticht, „Hamsterkäufe oder mehr Sex ?- Kondomhersteller verzeichnen zu Beginn der Corona-Krise Verdoppelung der Umsätze“ (Quelle: Odenwälder Echo vom Mittwoch, 3. Juni 2020 (Rubrik „Wirtschaft“, S. 7)
Und was gibt es nunmehr seit dem Jahr 2015 noch in punkto „Kondome“ zu sagen- hier in „Good Old Germany“:
Das Berliner Start-up „Einhorn“ erfindet ein altbekanntes Produkt neu, und zwar eben das Kondom. Es sind die Gründer Philip Siefer und Waldemar Zeiler (beide jetzt Mitte dreißig Jahre alt). Gemeinsam mit seinem Freund und Kumpel Waldemar entwirft/entwickelt der Philip deshalb Kondome mit ungewöhnlichem Design. Die Verpackungen gleichen Chipstüten (was beim Kauf vielleicht nicht so auffällt) und eben mit dem neuen Erkennungssymbol darauf: dem Einhorn.
In der Doppeldeutigkeit der Einhorn-Symbolik stellt derselbe Firmenname „Einhorn“- die Identifikation zum Produkt selbst dar, und auf der anderen Seite bezeichnet der angelsächsische Begriff „Unicorns“ (Einhörner) aufkommende Start-ups mit einer Bewertung von über einer Milliarde an Dollarvolumen; zugleich sind diese Einhorn-Tiere in der Legendenbildung zudem sehr selten, fantasiereich und bunt verzückend.
Kleines Kapitel „Kondomautomat“, S. 62, im Bad König-Buch von