Ilse Süßners markanter Vortrag über den Bauernpfarrer Johann Adam Groh

Bad König. Am Mittwoch (27.8.2014) hielt Ilse Süßner einen Vortrag über den Odenwälder Johann Adam Groh (30.Juni 1824 -3.Oktober 1881), und sie machte es so gut, dass die zahlreichen Zuhörer- darunter u.a. auch einige Pfarrer- lauschend gespannt ihren mit Akribie zusammengestellten Ergebnissen über Groh zuhörten, dessen eigentlich viersträngige Biografie mit Geburt und Kindheit in Vielbrunn sowie Jugend mit Michelstadt als erstem Schulort begann– danach mit Darmstadt und der mittelhessischen Zeit der Studien von Theologie und Philosophie in Gießen, dem  Predigerseminar in Friedberg mit der sich anschließenden ersten Stelle als Pfarrverwalter und Pädagoge in Wilsbach bei Gladenbach hin zur Rückkehr in den Odenwald mit dem Wirkungskreis Kirch-Brombach sich fortsetzte und mit dem Sommer 1878 im damaligen König sich vollendete, wo Johann Adam Groh die Dekanatsgeschäfte seit 1880 in der Elisabethenstraße 12 führte, zudem noch 1878 als Abgeordneter seines heimatlichen Wahlkreises in die Zweite Kammer gewählt worden war. Der Tod ereilte ihn aber schon im Alter von 59 Jahren (1881). Die Grabstätte befindet sich auf dem Bad Königer Friedhof gleich ein paar Schritte hinter der des Polarforschers Carl Weyprecht, der gut ein halbes vor Groh im gleichen Jahre 1881 verstarb. Ilse Süßner verstand es sehr beeindruckend, Groh als einen der Gründer – neben den beiden Sozialreformern Schultze-Delitzsch und Raiffeisen- des Genossenschaftswesens herauszuarbeiten, aus dem auch die heutige Volksbank Odenwald erwuchs. In der Zeit von Grohs theologischen Studien in Gießen fand er Zugang zu den Lehren und Forschungsergebnissen Justus Liebigs, dessen bahnbrechende Arbeiten auf dem Gebiete gerade der organischen Chemie neue Erkenntnisse und Hilfen für Landwirte und Bauern brachten. Es gab im 19.Jahrhundert Phasen von gewaltigen Hungerjahren: Für den älteren Liebig- 1803 geboren- war es das Schlüsselerlebnis des gewaltigen Hungerjahres 1816, das später zum Forschungsansporn werden sollte. Für den älteren Groh wird es auch das Odenwälder Hungerjahr 1852 werden, wo z.B. die Erbacher um Hilfen bei den Oberen ersuchten. Und Groh besinnt sich da an seine Gießener Zeit, wertet die Ergebnisse aus, zeigt den Bauern in der Brombachtaler Region, wie Fruchtwechselfolgen, Mistdüngungen wirken, klärt sie auf, wie Ertragssteigerungen auf dem Felde für den verarmten Odenwald möglich seien, obwohl doch schon verstärkt auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Auswanderungen nach Amerika einsetzten, noch erhöht auch aus politischen Gründen nach der missglückten Frankfurter Paulskirchenbewegung nach 1848. Johann Adam Groh bildet 1856 ein landwirtschaftliches Kränzchen, aus dem wohl dessen Hauptleistung sich etablierte: Gründung des ersten landwirtschaftlichen Konsumvereins im Hessischen 1862. Und wieder begegnen sich zwei Männer, nämlich der in Darmstadt geborene und damalige Kreisassessor Wilhelm Haas aus Friedberg, dessen Mutter Luise geb. Künzel übrigens aus König stammte. Haas spornt an, dass sich die landwirtschaftlichen Konsumvereine zu einem Verbund zusammenschließen sollten, dessen Vizepräsident Groh im Jahre 1873 bis zu seinem Tode dann wird. Dem Referat Ilse Süßners schloss sich eine rege Gesprächsrunde an, welche viele Facetten des Lebens von Dekan Groh beleuchten konnte. Zur Überraschung des Auditoriums und des veranstaltenden Heimat- und Geschichtsvereins Bad König e.V.konnte dessen Vorsitzender Reinhold Nisch ein Bildporträt (gestiftet von der Volksbank Odenwald, eingerahmt von Erich Süßner) aus den Händen der Referentin Ilse Süßner empfangen, wobei alsbald im Heimatmuseum ein würdiger Platz zu finden ist, damit die „großen Drei“ (Weyprecht-Groh-Vetter) des damaligen König bzw. der Region dort nun auch komplett vertreten sind.

Mittlerweile erschien zu den Mitstreitern („im genossenschaftlichen Sinne“) von Johann Adam Groh, der im damaligen (Bad) König im Odenwald und in der Region ideen- und segensreich für das einfache Landvolk und darüber hinaus wirkte, auch eine kleine wie bemerkenswerte Publikation, die eben zu Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch einen guten Überblick verschafft:

Uwe Birnstein/Georg Schwikart: Friedrich Wilhelm Raiffeisen-Hermann Schulze Delitzsch/ Genossenschaftlich gegen die Not, Wichern- Verlag GmbH (ISBN 978-3-88981-356-5), Berlin 2014

Wilhelm Kaltenborn: „Raiffeisen-Anfang und Ende“ Zentralkonsum eG/Books on Demand 2018, 110 Seiten, 6,99 Euro

Zum Inhalt des Buches (Klappentext):

„Friedrich Wilhelm Raiffeisens 200. Geburtstag im März 2018 ist der Anlass dieses Buches. In den Worten des Autors: `Die  Verklärung, der Raiffeisen in diesem Jahr erneut ausgesetzt sein wird, hat mit der realen Person Raiffeisen, mit seinem  Werk, seinen Intentionen, seiner Hinterlassenschaft sehr wenig zu tun. Seit Jahrzehnten werden sein Antisemitismus, sein christlicher Fundamentalis-mus, sein paternalistisches Gesellschaftsverständnis  konsequent verschwiegen.` Kaltenborn zeigt nun diese Seite anhand von Äußerungen und Beiträgen, denen sonst keine Beachtung geschenkt wird, die aber feste Bestandteile von Raiffeisens Biografie  sind.“

Rezension zum Buch:

„Abgründe eines Weltverbesserers-Der Sozialreformer Raiffeisen wird gefeiert. Ignoriert wird sein Antisemitismus. Ein neues Buch sucht ein realistisches Bild.“

(Quelle: taz vom 12.April 2018/Kultur, S. 17)

Zum Autor selbst:

Wilhelm Kaltenborn, geboren 1937 in Berlin; seit 1991 beim Vorstand der Konsumgenossenschaften (heute: Zentralkonsum eG) in Berlin; dort seit 2002 Aufsichtsratsvorsitzender; Funktionen in verschiedenen, auch internationalen genossenschaftlichen Gremien, diverse Veröffentlichungen zur Idee und Geschichte von Genossenschaften.